Wir nehmen uns ein Pferd und haben meistens die Vorstellung, dass wir eine harmonische, stabile und innige Beziehung zueinander haben werden. Nicht selten kommt es aber anders.
Es schleichen sich Probleme ein oder sind vielleicht von Anfang an da.
Jede*r von uns hat eine eigene Welt, in der wir uns täglich bewegen.
Unser Umfeld und unsere Persönlichkeit, geprägt von der individuellen Geschichte, gehören dazu.
Wenn wir eine harmonische Beziehung zu jemanden wollen, liegt die Kunst darin, seine eigene Welt mit der Welt des anderen zu teilen.
Bei sich bleiben und das Einlassen auf den anderen – das ist ein wichtiger Bestandteil für eine stabile und erfüllende Beziehung.
Dabei geht es nicht nur um die zwischenmenschlichen Beziehungen.
Auch jedes Pferd hat seinen eigenen Charakter, seine eigene Geschichte und seinen Rahmen, in dem es sich bewegt.
Oft ist es leider so, dass wir unsere Welt über das Pferd stülpen und vergessen dabei die Welt des Pferdes.
Ein Beispiel:
Sabine kommt in den Stall und will unbedingt ausreiten gehen.
Sie will den stressigen Arbeitstag vergessen und den Kopf beim Ausritt freibekommen.
Sie holt ihr Pferd, das beim Halfter rauf geben schon widerwillig ist.
Es bleibt am Weg zum Putzplatz immer wieder stehen und will nicht weitergehen.
Sabine hat Mühe ihr Pferd zum Putzplatz zu bringen und ist schon genervt.
Dort angekommen, will ihr Pferd nicht ruhig stehen bleiben und erschreckt sich vor jeder Kleinigkeit.
Sabine wird immer ungeduldiger.
Sie will einfach in Ruhe ausreiten gehen und jetzt tanzt ihr das eigene Pferd auch noch auf der Nase herum.
Die Wut steigt immer mehr in ihr hoch, ihr Pferd immer unruhiger…
Wahrscheinlich kennt jede*r Pferdehalter*in diese Situation.
Dabei vergessen wir oft, warum das Pferd so reagiert wie es reagiert.
Vielleicht ist im Stall etwas vorgefallen? Hat es zu wenig Ruhe? Ist es unter- oder überfordert? Hat es Schmerzen?
Diese Fragen würden uns einen Einblick in Welt des Pferdes geben.
Wenn wir uns ein bisschen mehr in die persönliche Welt des anderen einlassen, würden viele Probleme gar nicht erst entstehen.
Im Fall von Sabine, wäre es vielleicht anders gekommen, wenn sie sich auf der Fahrt in den Stall nicht schon einen fixen Plan gemacht hätte, auf dem sie unbedingt besteht.
Pläne sind gut und wichtig. Aber sie durchzuziehen, ohne Rücksicht auf andere, ist nicht sinnvoll.
Einen Schritt zurück gehen, tief durchatmen und den Plan überdenken.
Vielleicht ist Bodenarbeit, an der Hand spazieren gehen oder einfach die Zeit gemeinsam genießen im Endeffekt genauso schön und effektiv wie der ursprünglich geplante Ausritt?
Natürlich gibt es Termine, wie Hufschmied oder Tierarzt, bei denen unsere Pferde gut mitarbeiten müssen.
Wenn wir wissen, dass das Pferd bei solchen Terminen Schwierigkeiten hat, können wir es so gut es uns möglich ist, vorbereiten. Und wir können lernen, geduldig zu bleiben.
Statt über das Bedürfnis des anderen hinwegzusehen, auf ihn einlassen und schauen, was der andere braucht.
Für eine stabile und harmonische Beziehung zu unseren Pferden können wir vor allem auf diese Dinge achten:
- Auf die Grundbedürfnisse des Pferdes eingehen
Klingt banal, kann aber nicht oft genug gesagt werden.
Füttere ich das richtige Futter (zu viel Zucker, zu viel Getreide, Unverträglichkeiten, die richtigen Mineralstoffe, …)?
Hat mein Pferd genug Bewegung? Bekommt es genug Schlaf? Ist mein Pferd gesund und fit oder hat es Schmerzen?
Genauso sollten wir auf das richtige Maß an Beschäftigung achten, damit wir es nicht über- oder unterfordern. - Zuhören und auf die Kommunikation einlassen
Wie kommuniziert mein Pferd mit mir?
Erkenne ich, was mir mein Pferd sagen will?
Weiß ich, was mein Pferd mag oder nicht mag?
Und umgekehrt: kommuniziere ich klar, was ich möchte? Versteht mich mein Pferd? - Einen sicheren Rahmen gestalten
Grenzen und Regeln bieten einen sicheren Rahmen, in dem wir uns bewegen können.
Wir wissen, was gewünscht oder unerwünscht ist und das gibt uns Sicherheit.
Das ist sowohl bei Menschen als auch bei Tieren so.
Wir sollten dem Pferd unsere Grenzen erstmal freundlich beibringen.
Ein Pferd ist kein Roboter. Grenzen und Regeln können auch mal vergessen werden.
Und auch hier ist es wichtig, an die Grenzen und Regeln zu erinnern und nicht gleich unfair oder aggressiv zu werden. - Für viele positive Emotionen sorgen
Positive Momente machen glücklich.
Sowohl Mensch als auch Pferd.
Wenn es uns gut geht, können wir die Zeit mit unseren Pferden mehr genießen.
Und wenn wir positive Emotionen bei unseren Pferden auslösen können, wird es die Zeit mit uns auch mehr genießen. - Aufmerksamkeit schenken
Wie oft kommen wir in den Stall, sind mit unseren Gedanken ganz wo anders, schauen auf das Handy und sind mehr an anderen interessiert als am eigenen Pferd?
Wenn wir uns wünschen, dass sich das Pferd auf uns einlässt, sollten wir uns auch auf das Pferd einlassen, ihm unsere Aufmerksamkeit schenken und unseren Alltag vor der Stalltüre lassen.
Um die Beziehung zwischen uns und unseren Pferden zu stärken, ist es wichtig, sein Pferd wahrzunehmen und auf sich selbst zu achten.
Wenn wir dauernd gestresst sind, wirkt sich das auch auf die Beziehung zu unseren Pferden aus.
Wir hetzen in den Stall, sind mit dem Kopf ganz woanders und haben weder Zeit noch Nerven, uns auf das Pferd einzulassen.
Und genauso wird sich das Pferd dann wahrscheinlich uns gegenüber verhalten – kopflos und nervös.
Stimmungen übertragen sich.
Es ist wichtig, dass wir unsere Pferde als Individuen erkennen – mit ihren persönlichen Lernerfahrungen, Bedürfnissen, ihrer Genetik, Gesundheit und ihrem Charakter.
Und auch wir haben unsere Geschichte, Gesundheit, Bedürfnisse und unseren Charakter.
Wir sollten uns aufeinander einstellen und mit unseren Pferden ein Team bilden.
Wir können also unsere Wahrnehmung schulen.
Und lernen, die eigenen Bedürfnisse und die des Pferdes zu erkennen und auf sie einzugehen.
So wird es zu weniger Konflikten kommen und die Beziehung wird entspannter, harmonischer und stärker.
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