7 Mythen aus der Pferdewelt

7 Mythen über Pferde

„Dein Pferd verarscht dich“, „Du musst der Chef sein“, „Pferde sind dumm“ sind Aussagen, die wahrscheinlich alle Pferdemenschen schon mindestens einmal gehört haben.
Solche und andere Pferdemythen beeinflussen die Beziehung zwischen Pferd und Mensch.
Die bekanntesten Pferdemythen, warum sie nicht stimmen und wie sie sich auf die Beziehung zwischen Pferd und Mensch auswirken, sind hier zusammengefasst.

Pferdemythos Nummer 1:
„Dein Pferd verarscht dich“

Pferde kommunizieren auf ihre eigene Art und Weise.
Die feine Kommunikation des Pferdes ist für uns Menschen nicht immer sofort verständlich. 
Widerspenstigkeit ist oft das Ergebnis von mangelnder Klarheit in der Kommunikation des Menschen.
Es ist wichtig, sich bewusst zu machen, dass Pferde nicht in der Lage sind, menschliche Befehle und Erwartungen automatisch zu verstehen.
Eine klare und einfühlsame Kommunikation ist daher unerlässlich, um Missverständnisse zu vermeiden und eine harmonische Beziehung aufzubauen.
Wenn ein Pferd plötzlich sein Verhalten ändert oder bestimmte Aufgaben verweigert, kann das auch ein Hinweis auf Schmerzen sein.
Die Gesundheit und das Wohlbefinden des Pferdes müssen immer im Auge behalten werden.

Um jemanden verarschen zu können, braucht es strategisches Denken.
Also das Vorhaben des Gegenübers muss bekannt sein.
Darauf aufbauend wird eine Strategie geplant, um dieses Vorhaben zu verhindern oder zu sabotieren.
Diese Funktion ist im Hirn der Pferde nicht vorhanden.

Anstatt dem Pferd eine böse Absicht zu unterstellen, sollten wir uns darum bemühen, eine vertrauensvolle und respektvolle Beziehung aufzubauen.
Das erfordert Geduld, Einfühlungsvermögen und die Bereitschaft, das Pferd als eigenständiges Lebewesen mit eigenen Bedürfnissen zu sehen.
Die Annahme, dass das Pferd den Menschen verarscht, kann zu beidseitiger Frustration und Misstrauen führen und die Beziehung zwischen Mensch und Pferd belasten.

Pferdemythos Nummer 2:
„Pferde sind dumm“

Für strategisches Denken, um wie oben erwähnt Menschen zu verarschen, ist das Pferdehirn nicht gemacht.
Aber Pferde sind nicht dumm. Sie sind intelligente und komplexe Lebewesen.
Sie haben kognitive Fähigkeiten, die es ihnen ermöglichen, komplexe soziale Strukturen zu verstehen, Probleme zu lösen und sich an ihre Umgebung anzupassen.

Pferde haben ein anderes Hirn als Menschen.
Ihnen fehlt die Funktion des abstrakten Denkens, weil sie einen sehr gering ausgeprägten Frontallappen haben.
Sie haben ein kleineres Hirn, das stimmt. Aber das heißt nicht, dass sie dumm sind.
Sie müssen keine mathematischen Aufgaben lösen, mindestens 8 Jahre in die Schule gehen und 60 Jahre ihr Gehalt verdienen.
Pferde brauchen ihr Hirn, und vor allem ihre Sinne, zum (über-) leben.
Sie hören viel besser als wir, sehen mehr, riechen intensiver, spüren mehr.
Außerdem haben Pferde ein sehr ausgeprägtes Schmerzgedächtnis, bilden Freundschaften und erinnern sich an sie, haben ähnliche Emotionen wie wir Menschen (Trauer, Freude, Ärger, Wut, Angst, Lust, Mut und Mitgefühl).

Pferde können feine Nuancen in der Körpersprache wahrnehmen und auf verbale und nonverbale Anweisungen reagieren.
Sie können durch positive Verstärkung, klare Anweisungen und konsequentes Training neue Fähigkeiten erlernen und ihr Verhalten anpassen.

Obwohl Pferde domestiziert sind, haben sie immer noch starke Instinkte und Überlebensstrategien, die auf ihren natürlichen Verhaltensweisen in freier Wildbahn beruhen.
Das vom Menschen missinterpretierte „dumme“ Verhalten kann oft darauf zurückzuführen sein, dass sie ihre Umgebung genau beobachten und auf potenzielle Gefahren reagieren.
Was für uns Menschen manchmal unverständlich erscheint, ist für Pferde einfach instinktives Verhalten.

Pferde als dumm abzustempeln, steht einer respektvollen und tiefen Beziehung im Weg.
Erst wenn der Mensch sie versteht, kann eine vertrauensvolle Partnerschaft entstehen.

Pferdemythos Nummer 3:
„Pferde spüren weniger Schmerz“

Weil Pferde groß und stark sind, hält sich dieses Vorurteil leider hartnäckig.
Pferde neigen dazu, ihre Schmerzen zu verbergen.
Das bedeutet aber nicht, dass sie weniger Schmerzen empfinden.
Pferde sind Beutetiere und haben gelernt, Anzeichen von Schwäche zu verbergen, um potenziellen Raubtieren keine Angriffsfläche zu bieten.
Auch in ihrer gewohnten Umgebung im sicheren Stall sind diese Instinkte noch immer vorhanden.

Pferde empfinden Schmerz genauso intensiv wie andere Säugetiere.
Sie haben ein komplexes Nervensystem, das ihnen ermöglicht, Schmerzreize wahrzunehmen und darauf zu reagieren. Nur weil Pferde nicht schreien können, bedeutet das nicht, dass Pferde keinen oder weniger Schmerz empfinden.
Pferde zeigen Schmerz oft durch subtilere Verhaltensweisen wie veränderte Körperhaltung, vermehrtes Schnauben oder Vermeidungsverhalten.
Es liegt am Menschen, diese Signale zu erkennen.

Ein Pferd, dessen Schmerzen nicht gesehen oder ignoriert werden, wird keine vertrauensvolle Beziehung zu seinem Menschen eingehen können.
Es ist die Verantwortung der Pferdehalter*innen, sicherzustellen, dass die Gesundheit und das Wohlbefinden des Pferdes an erster Stelle stehen.
Das bedeutet, Schmerzen rechtzeitig zu erkennen, sie ernst zu nehmen und angemessen zu behandeln.
Damit es dem Pferd gut geht und dadurch auch seinem Menschen.

Pferdemythos Nummer 4:
„Jedes Pferd reagiert gleich auf Stress- und Angstauslöser“

Pferde sind sensibel gegenüber ihrer Umgebung und den Menschen um sie herum.
Sie haben ein feines Gespür für Veränderungen, soziale Dynamiken und die Stimmungen von anderen Pferden und Menschen.
Pferde können subtile Anzeichen von Stress und Angst zeigen, wie erhöhte Herzfrequenz, vermehrtes Schnauben, Schweißbildung oder Fluchtverhalten.

Pferde reagieren unterschiedlich auf Stressoren und Angstauslöser, je nach ihrer individuellen Persönlichkeit und Erfahrungen.
Was für ein Pferd als stressig empfunden wird, kann für ein anderes Pferd unbedeutend sein.
Stressoren sind zum Beispiel laute Geräusche, fremde Objekte, enge Räume, ungewohnte Situationen, Herdenveränderungen, das Verhalten der Menschen oder körperliche Probleme.
Es ist wichtig, die Stressoren zu erkennen, auf die ein Pferd reagiert, und Wege zu finden, die Stressbelastung zu minimieren.

Stress kann schwerwiegende Auswirkungen auf die Gesundheit und das Wohlbefinden eines Pferdes haben.
Stress kann das Immunsystem schwächen, die Verdauung beeinträchtigen, das Verhalten verändern und zu langfristigen gesundheitlichen Problemen führen.
Pferde haben unter Stress ein erhöhtes Verletzungsrisiko, weil sie weniger aufmerksam und reaktionsfähig sind.

Ein gestresstes Pferd kann sich schwer auf eine Beziehung einlassen.
Indem der Mensch für sein Pferd eine sichere und unterstützende Umgebung schafft, klare Kommunikationssignale sendet und die Bedürfnisse und Grenzen des Pferdes respektiert, können Stressbelastungen minimiert werden.

Pferdemythos Nummer 5:
„Ein Pferd muss täglich geritten werden, um gesund zu bleiben“

Regelmäßige Bewegung trägt zur körperlichen Fitness, zur Aufrechterhaltung eines gesunden Gewichts, zur Förderung der Durchblutung und zur Stärkung der Muskeln und des Bewegungsapparates bei.
Allerdings ist das nicht ausschließlich durch Reiten zu erreichen.
Es gibt viele andere Möglichkeiten, wie Pferde sich bewegen können – freie Bewegung auf dem Paddock oder der Weide, Longieren, (gymnastizierende) Bodenarbeit, Spaziergänge und vieles mehr.

Durch Abwechslung im Training können verschiedene Muskeln beansprucht, die Balance und Koordination verbessert werden.
Das trägt nicht nur zur körperlichen Gesundheit des Pferdes bei, sondern hilft auch, Langeweile im pferdischen Alltag zu vermeiden.

Neben Bewegung ist auch ausreichend Ruhe und Regeneration wichtig.
Pferde brauchen für ihre Gesundheit und für den Muskelaufbau, Zeit zum Ausruhen und Entspannen.
Übermäßiges Training ohne ausreichende Ruhephasen kann zu Überlastung, Stress und Verletzungen führen.

Es ist wichtig zu erkennen, dass jedes Pferd individuelle Bedürfnisse und Vorlieben hat, wenn es um das Training geht. Pferdetraining geht auch ohne Reiten.
Ein vielseitiges und auf das Pferd angepasste Training ist wichtig für die Gesundheit.
Bewegung, Ruhe, Kopfarbeit, Wellness und die Zeit zu zweit genießen gehören dazu.
Und wenn das Pferd gesund ist und sich wohl fühlt, wirkt sich das auch positiv auf die Beziehung zwischen Mensch und Pferd aus.

Pferdemythos Nummer 6:
„Das Pferd ist nur ein Hobby“

Für viele Menschen sind Pferde weit mehr als nur ein Hobby.
Pferdehalter*innen verbringen viel Zeit damit, sich um ihre Tiere zu kümmern. 
Egal ob Fütterung, Pflege, Training oder medizinischen Versorgung – Pferde sind zeitaufwändig.

Sich ein Pferd zu kaufen, ist eine große und lebensverändernde Entscheidung.
Pferde kosten Zeit und Geld, das sollte einem vor dem Kauf bewusst sein.
Auch vom Umfeld erfordert ein Pferd viel Rücksichtnahme.

Wer ein Pferd hat, sollte sich bewusst sein, dass es für eine gute Pferd-Mensch-Beziehung mehr sein muss, als in den Stall zu fahren, das Pferd zu reiten und wieder zu gehen.
Es gehört genauso dazu, sich auf die Beziehung einzulassen, sich Wissen über Pferde im Allgemeinen, ihr Training und ihre Gesunderhaltung anzueignen.
Außerdem können Menschen im Umgang mit ihren Pferden einiges über sich selbst lernen.
Für viele ist die Beziehung zu ihren Pferden ein großer Teil ihres Lebens.
Sie sind Freunde, Freundinnen oder Familienmitglieder und nicht nur ein Hobby.

Pferdemythos Nummer 7:
„Du musst der Chef sein“ / „Du musst die Chefin sein“

Diese Sichtweise kommt von veralteten Vorstellungen über die soziale Struktur von Pferdeherden und altmodischen Trainingsphilosophien.
Heute weiß man, dass eine erfolgreiche Beziehung zwischen Mensch und Pferd nicht auf Dominanz, sondern auf Vertrauen und gegenseitigem Respekt basiert.

Der Mensch sollte nicht als „Chef*in“ betrachtet werden, sondern als Partner*in.
Eine erfolgreiche Partnerschaft beruht auf Verständnis, Empathie und gegenseitigem Respekt.
Gemeinsame Ziele sollten bei der Arbeit im Fokus stehen.
Um das zu erreichen, braucht der Mensch klare und verständliche Kommunikationssignale.
Statt auf Zwang oder Bestrafung zu setzen, sollte mit positiver Verstärkung und Belohnung trainiert werden.
Wie Menschen auch, lernen Pferde in einer positiven Lernumgebung besser.

Pferden ist es nicht wichtig, wer Chef*in ist.
Auch in einer Pferdeherde gibt es keine strenge Hierarchie.
Unterschiedliche Tiere übernehmen unterschiedliche Rollen, die nicht statisch sind, sondern auch wechseln können.
Pferden ist wichtig, dass sie sich – vor allem in Gefahrensituationen- auf ihren Menschen verlassen können.
Und das wird nicht mit Druck, Gewalt oder Chefgehabe erarbeitet, sondern mit Vertrauen.

Vertrauen entsteht durch Beziehung.
Mehr Druck hilft dem Pferd nicht, sondern erzeugt nur Stress.
Das Pferd gibt irgendwann auf.
Vor allem, wenn der Mensch versucht mit „pferdischen“ Signalen, weil die Pferde das ja untereinander auch so machen, zu kommunizieren. Treten, Zwicken oder andere Signale zu imitieren, wird von Pferden nicht verstanden.
Außerdem passieren so viele subtile Signale, bevor ein Pferd tritt, die wir Menschen nicht nachahmen können (Ohren anlegen, Nüstern hochziehen,… ) – wir sind Menschen und keine Pferde.

Respekt zwischen Mensch und Pferd ist wichtig.
Aber Respekt sollte nicht mit Chefgehabe oder Kontrolle verwechselt werden.
Für eine respektvolle Beziehung sollte der Mensch sensibel auf die Signale und Bedürfnisse des Pferdes reagieren.
Und auch sein körperliches und emotionales Befinden respektieren.
Das bedeutet, das Pferd nicht zu überfordern, es nicht zu zwingen und eine gemeinsame Sprache mit seinem Pferd zu finden.

Pferdemythen, die auf veralteten Vorstellungen beruhen, beeinflussen die Beziehung zwischen Menschen und ihren Pferden negativ.

Pferde sind Lebewesen mit eigenen Gedanken, Gefühlen und Bedürfnissen.
Wenn ein Pferd „nein“ sagt, kann das verschiedene Gründe haben.
Das hat nichts mit Chefgehabe, dumm sein oder verarschen zu tun.
Es könnte sich unwohl oder unsicher fühlen, Schmerzen haben oder aus anderen Gründen nicht in der Lage sein, die Anweisung auszuführen.
Statt darauf zu bestehen, dass das Pferd gehorcht, ist es wichtig, die Gründe für sein Verhalten zu verstehen und entsprechend zu reagieren.
Das kann bedeuten, dem Pferd Zeit und Raum zu geben, um sich zu entspannen, Schmerzen zu lindern oder sein Vertrauen zu stärken.

Wie jede andere Beziehung auch besteht auch die Beziehung zwischen Pferd und Mensch aus Höhen und Tiefen.
Und das ist ok.
Es darf auch mal nicht so gut laufen und frustrierend sein – vor allem, wenn der Mensch mit Enttäuschungen, chronischer Krankheit oder mit einer anderen Belastung zu kämpfen hat.
Auch „negative“ Gefühle dürfen da sein.
Wichtig ist, Frust, Sorgen, Ängste zu erkennen und sie nicht am Pferd auszulassen.
Alles, was wir verdrängen, wird immer größer.
Wenn wir Gefühle erkennen und verstehen, können sie verarbeitet werden.
Wenn wir eine Partnerschaft auf Augenhöhe mit unseren Pferden aufbauen und beidseitige Bedürfnisse und Grenzen respektieren lernen, können wir eine starke Beziehung entwickeln, in der sich beide wohl fühlen.

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